Warum treten Lernprobleme auf?

 

Prinzipiell können Lernprobleme zu jedem Zeitpunkt auftreten. Das ursächliche Problem ist von Anfang an vorhanden, aber Kinder haben oft enorme Kräfte eine Schwäche so lange wie möglich zu kompensieren - Wörter auswendig zu lernen anstatt sie lesen zu können, die Ergebnisse von Rechungen auswendig zu wissen ohne den Rechenvorgang verstanden zu haben, ein Schema zu verwenden und in dieses auf gut Glück andere Zahlen einsetzen, beim Rechnen mit den Fingern weiterzählen, intelligentes Raten, auswendig lernen…

 

Aber irgendwann gelingt es ihnen nicht mehr und "plötzlich" fällt eine Lernschwäche auf. Bei den meisten Kindern ist dies in der 2./3./4. Klasse Volksschule der Fall, aber oft manifestieren sich Lernschwächen erst beim Wechsel von der Volksschule in die Unterstufe des Gymnasiums oder in die Neue Mittelschule. Ich betreue auch viele Jugendliche kurz vor der Matura, die bisher das Lernen noch nicht richtig lernten.

 

Typische Lerninhalte, bei denen Lernschwächen plötzlich sichtbar werden, sind im mathematischen Bereich z. B. die Divisionen, die Zahlenraumerweiterung auf 100, 1000 oder 10 000, die Bruchrechnung oder auch die Prozentrechnung. Gerade bei komplexen Textaufgaben tun sich viele Kinder schwer, wenn sie nicht sinnerfassend lesen können, bzw. grundlegende arithmetische Operationen nicht richtig verinnerlicht haben.

 

Bei manchen Kindern ist es auch so, dass sie in ihrer Muttersprache relativ gut kompensieren können und im Unterricht immer so halbwegs mitkommen. Aber diese Strategie funktioniert dann bei einer Fremdsprache wie Englisch, Französisch oder Italienisch nicht mehr, wenn grundlegende grammatikalische Strukturen nicht erkannt werden.

 

Es gibt bereits im Vorschulalter bestimmte Prädiktoren, also Hinweise auf ein mögliches späteres Auftreten, für Lernstörungen. Daher investiere ich viel Zeit und Energie in Aufklärungsarbeit und Prävention und arbeite auch schon mit Kindergarten- und Vorschulkindern.

 

Denn wenn man diese Hinweise wahrnimmt, zu deuten weiß und das Kind anschließend adäquat fördert, könnte man neuesten Untersuchungen zufolge vermutlich 80 Prozent aller Lernstörungen verhindern, bevor sie überhaupt ausbrechen und sich im späteren Schulverlauf als Legasthenie oder Dyskalkulie manifestieren!

 

Die zentralen Vorläuferfertigkeiten für den Schriftsprachenerwerb sind z. B. die phonologische Bewusstheit im engeren und weiteren Sinn, für den mathematischen Bereich bestimmte pränumerische Fertigkeiten wie Klassifizieren und Ordnen von Objekten, die Invarianz von Größen und Mengen, die Inklusion oder auch Vergleiche und Zahl-Mengen-Zuordnungen.

 

Allerdings bedeutet es leider nicht, dass ein Kind später keine Lernschwäche entwickeln kann, selbst wenn alle Vorläuferfertigkeiten und Teilleistungsbereiche optimal ausgebildet sind.